Orhan Hamo hat sichtlich Spass an seinem Job und seinem neuen Leben. Achmad Ibrahmi macht nicht nur im Service eine gute Figur. Hoteldirektor Robert Attenberger und Personalchefin Leonie Trottmann geben den Schnupperstiften wertvolle Tipps. | Anfang April führte das Hotel Hilton Garden Inn in Davos zum zweiten Mal eine Schnupperwoche für Flüchtlinge in Zusammenarbeit mit dem Verein IG offenes Davos durch. Die positiven Erfahrungen aus dem Projekt zeigen, wie wichtig Arbeit für eine erfolgreiche Integration ist. Drei Geflüchtete erhielten in den vergangenen Wochen Einblick in Tätigkeiten des Hotelbetriebs, indem sie drei Tage in verschiedenen Bereichen mitarbeiteten. Wie sehr diese allererste Berufserfahrung hilft, in der neuen Heimat Fuss zu fassen und auf eigenen Beinen stehen, zeigt das Beispiel von Orhan Hamo. Er nahm bereits im vergangenen Herbst an der Schnupperwoche im Hilton Garden Inn teil und erhielt im Anschluss eine Saisonanstellung als Küchengehilfe. Orhan ist 21 Jahre alt. Als er seine Heimatstadt Afrin im Norden Syriens Hals über Kopf verlassen musste, war er gerade im ersten Jahr seines Jus-Studiums. Vor 2,5 Jahren kam er nach Graubünden. Seit er hier lebt, wurde er mehrfach transferiert, er lebte in Chur, Andeer, Davos und in Arosa. Unterbeschäftigung, der grösste Stress Neben dem langen Warten auf einen Asylentscheid war für ihn die stetige Unterforderung die grösste Herausforderung. „Ich wollte möglichst rasch Deutsch lernen, um mein Studium abschliessen zu können, doch wir wurden lediglich eine Stunde im Tag unterrichtet.“ Auch Faruk Habasch, ein syrischer Familienvater, der die vergangenen Tage als Schnupperstift an der Spüle in der Hotelküche arbeitete, freut sich über die neue Erfahrung: „Es ist schön, am Abend haben wir etwas geleistet, sind müde und können gut schlafen.“ Dass die Arbeit auch mal sehr stressig wird, macht Orhan nichts aus. Er hätte so gerne während dem WEF gearbeitet, dann ist nämlich am meisten los. Doch ihm wurde, wegen seiner Herkunft und fehlendem Pass kein Zutritts-Badge für die Sicherheitszone, in welcher sich das Hotel befindet, ausgestellt. „Ich hätte sogar in der Küche übernachtet, um nicht durch die Kontrollen zu müssen, doch das geht natürlich nicht“, bekräftigt er. „Orhan wäre während dieser betriebsreichen Zeit ein wichtiger Mann für uns gewesen“, berichtet auch Leonie Trottmann, die Personalchefin des Hotels. Vorläufige Aufnahme, ein hartes Los Die Teilnehmer der Schnupperwoche waren alles ‚vorläufig aufgenommene Flüchtlinge’. Trotz der Status-Bezeichnung: 75 Prozent der sogenannten ‚Vorläufig Aufgenommen’ bleiben hier. Zu unsicher ist und bleibt die Lage in ihren Heimatländern. Doch der Status führt die F-Flüchtlinge in ein eigenartiges Dilemma zwischen Aufnahme und Auschluss in unserer Gesellschaft. Sie erhalten nur wenig Integrationsunterstützung und bleiben in den Asyleinrichtungen wohnhaft. Eine Familie lebt bereits seit sechs Jahren im sogenannten Davoser ‚Transitheim’. Aus dieser Parallelwelt herauszufinden, ist nicht einfach. Das Wort ‚vorläufig’ im Status schreckt viele potentielle Arbeitgeber ab. „Über 50 Bewerbungen habe ich schon geschrieben“, berichtet auch Ahmad Ibrahimi. Er ist 20 Jahre alt und mit seiner Familie und zwei der sechs Geschwister aus dem Nordosten Syriens hierher geflohen. Zuhause hatte er eben das Sanitärgeschäft seines Vaters übernommen. Als Schnupperstift erhielt er die Gelegenheit, im Technikbereich des Hotels mitzuarbeiten. Er spricht schon gut Deutsch. „Seit dem Asylentscheid darf ich in Chur in die Schule gehen. Ich habe aber schon vorher viel alleine gelernt und will auch noch viel besser werden“. Der unbändige Lernwille ist auch der Personalchefin im Hotel aufgefallen, am dritten Tag darf Ahmad daher im Service und an der Bar mit den Hotelgästen in Kontakt treten. „Die Erfahrungen, die ich hier mache, helfen mir hoffentlich, einen ersten Job zu finden.“ Donia Khlo, eine dreifache syrische Mutter, die im Housekeeping und am Frühstücksbuffet mitarbeiten durfte, pflichtet bei: „Es ist schön, konnten wir mal zeigen, dass wir arbeiten wollen und können. Dass ein Arbeitszeugnis eines so renommierten Betriebs dies bestätigt, hilft uns sicher bei der Arbeitssuche.“ Arbeit, Schlüssel zur Selbstständigkeit Orhan arbeitet derweil weiter an seinem Ziel, den Studienabschluss nachholen. Doch die vorläufige Aufnahme sieht eine Niederlassungspflicht im Kanton Graubünden vor. Um in einer Schweizer Stadt sein Studium aufnehmen zu können, strebt er deshalb nach einer B-Aufenthaltsbewilligung. Allerdings kann er diese erst nach fünf Jahren in der Schweiz beantragen und muss Nachweise erbringen, während dieser Zeit grösstenteils arbeitstätig gewesen zu sein, ausreichend Deutsch zu sprechen und gut integriert zu sein. Mit seinem Saisonjob als Küchengehilfe im Hilton ist er dafür auf dem besten Weg. Er hatte jedoch grosse Angst, dass er nach dem Saisonende wieder ins Flüchtlingsheim zurück muss. „Ich habe mich im Transitzentrum in Arosa bereits wieder angemeldet“. Doch es kam anders: Kürzlich hat er einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit dem Hilton Garden Inn unterschrieben. „Ich bin so froh, darf ich hierbleiben, Davos gefällt mir sehr, ich habe hier nicht nur Arbeit und eine eigene kleine Wohnung gefunden, sondern auch Arbeitskollegen und Freunde.“ Die Frage, ob er sich mit dem selber verdienten Geld etwas Schönes gekauft habe, verneint er erstaunlicherweise: „Das ist mir nicht wichtig. Ich schicke lieber meiner Familie Geld nach Syrien, die Situation in meiner Heimatstadt ist noch immer sehr schwierig.“ Was es für Flüchtlinge bedeutet, auf den eigenen Beinen stehen zu können, betont auch Ahmad. „Im Heim wohne ich mit meinen Eltern und meinen schon grossen Schwestern in einem einzigen Zimmer. Das ist manchmal sehr schwierig.“ Er blickt jedoch sehr motiviert in die Zukunft: Zuerst mache er noch den A1-Deutschtest, dann habe er viel bessere Chancen, einen Job oder gar eine Lehrstelle zu finden. Arbeitgeber, Schlüsselfiguren der Integration Die Personalchefin Leonie Trottmann ist sehr positiv überrascht über den unbändigen Arbeitswillen und insbesondere auch ob der Reife, welche auch die jungen Flüchtlinge mitbringen. „Die bürokratischen Hindernisse sind bei Flüchtlingen nicht höher als bei anderen Arbeitsmigranten. Wieso soll ich Angestellte von weit her nach Davos holen, wenn es hier schon so motivierte Leute gibt?“ Dass die Ausbildung meist fehlt, sei kein Hindernis. Speziell in Hotels und in Gastrobereichen kann man mit einfachen Jobs einsteigen und sich mit Fleiss und Wille langsam die Karriereleiter hocharbeiten. Robert Attenberger, der Hotel-Direktor doppelt nach: „Als Arbeitgeber können wir diesen Leuten quasi die Türe zu einem selbstständigen Leben und zu unserer Gesellschaft öffnen.“ Die Schnupperwoche soll den Geflüchteten einen Einblick in die Arbeitswelt bieten und ihnen das Rüstzeug geben, um selbstbewusst auf Stellensuche gehen zu können. „Die Arbeitgeber müssen erkennen können, was für Potential in euch steckt“, rät er den Geflüchteten. Er hofft, mit den positiven Erfahrungen aus seinem Betrieb auch andere zu ermutigen, Geflüchtete anzustelle |
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